EPO ist in der breiten Bevölkerung eigentlich nur im Zusammenhang mit Doping bekannt. Wir erinnern uns nur allzu lebhaft an die Negativschlagzeilen. Erst Freude über den Sieg herausragender Athleten, dann Wochen später die ernüchternde Nachricht: mit EPO gedopt, Aberkennung des Titels.
Doch Erythropoetin (EPO) ist nichts Künstliches oder Schlechtes, sondern ein natürliches und sehr notwendiges menschliches Eiweißhormon. Es wird vorwiegend im Knochenmark und den Nieren produziert und hilft, die roten Blutzellen zu bilden (Erythropoese). EPO wird deshalb zur Behandlung und Prävention von Anämie bei Nierenleiden und bei Krebspatienten einsetzt.
EPO ist ein »süßes« Eiweiß, ein Glykoprotein. Es trägt zu der Aminosäurekette zusätzlich noch Zuckerketten. Die Zucker schützen EPO vor einem raschen Abbau in der Leber. Ohne »Süßigkeiten« ist EPO wirkungslos. Das ist ein Problem: Anders als das reine Eiweiß Insulin kann man EPO nicht in genmanipulierten Bakterien produzieren, sondern braucht dazu tierische Zellkulturen, z. B. Zellen aus den Ovarien des Chinesischen Hamsters (CHO-Zellen). Mit einem Umsatz von rund zehn Milliarden Euro im Jahr ist EPO das führende Biopharmazeutikum weltweit. Für Dialysepatienten ist es überlebenswichtig.
Eine spezifische Form des komplexen Glykoproteins, das asialo-EPO, schützt das Gewebe, ohne die roten Blutzellen zu stimulieren. Asialo heißt »ohne Sialinsäuren«. Diese Säuren schützen ansonsten vor dem schnellen Abbau des Proteins in Leber und Nieren und machen EPO so langlebig, dass es die Blutbildung vorantreiben kann (und damit auch dopend wirkt). Asialo-EPO dagegen wird so schnell abgebaut, dass keine zusätzlichen Blutkörperchen gebildet werden. Es kann daher kaum missbraucht werden.
Lange wird schon nach einem »tierfreien« Herstellungsweg für EPO gesucht. Am Lehrstuhl für Pflanzenbiotechnologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg war man nun erfolgreich. Eva Decker und Ralf Reski manipulierten dazu zusammen mit der Freiburger Biotechnologiefirma Greenovation ein Moos. Ihre Ergebnisse sind im »Plant Biotechnology Journal« (DOI: 10.1111/ j.1467-7652.2012.00704.x) veröffentlicht. Physcomitrella patens wurde so verändert, dass es rekombinantes menschliches asialo-EPO im Bioreaktor produziert. Das Moos-Eiweiß ist identisch mit dem menschlichen. Erstaunlicherweise verändert das für das Moos nutzlose Menscheneiweiß nicht das Wachstum der Pflanze.
Es kommt noch besser: Kürzlich wurde gezeigt, dass EPO bei Sauerstoffmangel in unterschiedlichen Geweben im menschlichen Körper hergestellt wird. Indem es die Sportler vor dem Irrewerden schützt, hilft es vielleicht doch beim Höhentraining? In diesem Fall hemmt das Hormon den programmierten Zelltod (die Apoptose) in Stresssituationen. Somit eignet sich asialo-EPO für den potenziellen Einsatz bei Hirnschlag, durch Diabetes verursachten Augenschäden und Schädigungen des peripheren Nervensystems.
Wie sagte doch meine lebenskluge Großmutter Anna immer? »Ohne Moos nüschd los!« Womit sie meinte: Geld regiert die Welt. Doch von jetzt an kann man den Spruch auch wörtlich nehmen.