Winzer in Schwarz-Gelb


Die Bäckerhefe Saccharomyces cerevisiae produziert seit mindestens 9000 Jahren unser aller Brot, aber auch Wein und Bier. Und Alkohol war bekanntlich die »Muttermilch der Zivilisation«: nahrhaft, berauschend und (oft lebensrettend) desinfizierend. Domestizierte Hefe-Stämme der Weinbauern und Winzer »entwichen« dabei nicht selten in die freie Natur.

Doch wie überlebten die hochorganisierten Hefezellen den Winter im eisigen Freien? Selbst in Italien gibt es Frost. Ein Team um Duccio Cavalieri von der Universität Florenz schreibt im US-Fachblatt »Proceedings of the National Academy of Sciences« (Bd. 109, S. 13 398) dazu Interessantes.

Cavalieris Team hatte einen Verdacht: Die zuckerliebenden Bienen, Wespen und Hornissen könnten mit dem süßen Saft reifer Früchte auch einige der dort wachsenden Hefen aufnehmen und sie dann weiterverbreiten. Um ihre Vermutung zu überprüfen, wanderten die Forscher durch die Weinberge der Toskana und sammelten dort Wespen, Hornissen und Bienen. (Beneidenswerte Forscher: abends nach der Arbeit beim Winzer zu Gast!) Am Ende hatten die Biologen einige Hefespezies und insgesamt 17 Stämme von S. cerevisiae gefunden. Bemerkenswert dabei: Hefezellen fanden sich bei allen drei gesammelten Insektengruppen, die Bäcker- (und Weinhefe) aber nur in den Mägen von Wespen und den verwandten Hornissen. Bei Bienen, die sich nur für Blüten interessieren, fanden sich nur andere Hefearten.

Ein schönes Experiment: Die Forscher fütterten weibliche Wespen vor ihrer Überwinterung mit genmarkierten Hefen, deren Nachkommen sie im darauf folgenden Frühjahr prompt nachweisen konnten. Also: Die vielen Leuten nur lästigen Wespen sind nicht nur nützliche biologische Insektentöter. Sie können auch winzige Winzer zur Überwinterung beherbergen! Dies sollten Sie beim nächsten Terrassen-Frühstück bitte vor dem Klatsch mit der Zeitung bedenken.

Und noch ein Lobgesang auf die Hornissen (ihr Stich ist übrigens nicht schlimmer als der von Wespen): Ihnen gebührt Respekt als Nano-Baumeister. Beim Bau einer Zelle fertigt die Hornisse zuerst das Dach. Wie ein niederländisch-israelisches Team um Ietse Stockroos von der Universität Groningen im Journal »Nature« (Bd. 411, S. 654) berichtet, konstruiert die im Scheitelpunkt stets eine kleine Vertiefung. In die setzt die Hornisse einen 100 Nanometer großen Kristall des magnetischen Minerals Ilmenit (Eisentitanoxid), quasi als Schlussstein.

Während die Hornissen Zelle an Zelle fügen, ausnahmslos alle mit einem Magnet-Kristall, entsteht ein Gitter aus magnetischen Punkten. Die Tiere mit ihrem magnetischen Sinn können so die exakte Anordnung der Wabenzellen laufend überprüfen. Genauer als jede Wasserwaage!


0 0 votes
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
0 Comments
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
0
Would love your thoughts, please comment.x