Einst konnte ein amerikanisches Eichhörnchen die ganze Strecke von Maine (Neuengland) nach Florida von Kastanie zu Kastanie hüpfen. Nordamerika hatte vor 150 Jahren vier Milliarden Amerikanische Kastanien (Castanea dentata), manche bis zu 30 Meter hoch und drei Meter dick! Diese Bäume haben nichts zu tun mit der bei uns verbreiteten Rosskastanie, sondern sind mit der Esskastanie (Maroni) verwandt.
Die Pracht fand nach 1904 ein unerwartetes Ende: Experimentierfreudige Gärtner hatten aus Ostasien eine verwandte Art in den New Yorker Botanischen Garten gebracht. Und mit den Bäumen auch einen parasitären Pilz Cryphonectria parasitica (Kastanienrindenkrebs) eingeschleppt. Der verbreitete sich von New York aus über die ganzen USA. Im Gegensatz zu ihren asiatischen Vettern, die sich im Lauf der Evolution an »ihre« Schlauchpilze angepasst hatten, starben die Amerikanischen Kastanien. Heute existieren nur noch vereinzelte erwachsene Exemplare. Sobald die Schösslinge ein bestimmtes Alter erreicht haben, werden sie vom Pilz heimgesucht.
William Powell von der State University of New York in Syracuse will diese Edelkastanie retten. Sie lieferte früher regelmäßig große Mengen an Früchten für Tiere und Menschen, die deren Geschmack schätzten. Und auch heute noch findet man Blockhäuser aus beständigem Kastanienholz in den Appalachen. Zusammen mit seinem Kollegen Charles Maynard will Powell der Amerikanischen Kastanie wieder auf die Beine bzw. Wurzeln helfen. Der Weg dahin führt offenbar nur über die Schaffung eines resistenten Baums. Andere Methoden der Pilzbekämpfung waren gescheitert.
Die Idee: Ein wesentliches Stoffwechselprodukt des Pilzes ist Oxalsäure, die die Wachstumsschicht (Kambium) des Baums angreift. Der Rindenkrebs unterbricht damit den Transport von Wasser und Nährstoffen zu den Blättern. Der Baum kann keine Fotosynthese mehr ausführen und stirbt ab. Powells Lösungsansatz sind transgene Bäume. Er fügte dem Kastanien-Genom (immerhin 45 000 Gene) drei bis fünf neue Gene hinzu. Sie sollen die Resistenz gegen die verheerenden Pilze erhöhen. Für die Übertragung setzt Maynard auf das Bodenbakterium Agrobacterium tumefaciens, das aktiv DNA in pflanzliche Zellen bringt. Die zusätzlichen Gene stammen aus chinesischen Kastanien, Weizen oder wurden eigens synthetisiert.
Seit 22 Jahren arbeitet man bereits an dem Thema. Um ein Resistenzgen in die zelluläre DNA zu schleusen, braucht man zwei Jahre. Danach muss der Baum vier Jahre wachsen, bevor man sieht, ob er widerstandsfähig genug ist. Der bisher aussichtsreichste Kandidat ist ein Gen aus Weizen für das Enzym Oxalat-Oxidase, das die Oxalsäure unschädlich macht. Mit einer breiten öffentlichen Unterstützung sollen nun die resistenten Amerikanischen Kastanien zuerst dorthin zurückgebracht werden, wo ihr Niedergang einst begann: Die ersten zehn transgenen Bäume werden im New Yorker Botanical Garden gepflanzt – an dem Ort, an dem 1904 die Plage erstmals bemerkt wurde. »Back to the roots!«